Lammzeit im Schnee
… ein Abenteuer für alle Beteiligten!
Die interessierten Spaziergänger
“Ach, das ist aber niedlich! Da sollen ja ein paar Lämmer geboren worden sein!” So oder ähnlich mögen diejenigen gedacht haben, die eine Menge Spuren im Schnee vor dem Stall hinterlassen (und das Schild: “Wertvoller Tierbestand! Betreten für Unbefugte verboten!” übersehen) haben.
Natürlich ist es für die meisten von uns Menschen unglaublich spannend, in der Natur zu sein. Wenn es dann noch niedliche Lämmer und ihre wolligen Mamas aus der Nähe zu sehen gibt, macht nicht nur den Kleinen das Spazierengehen viel mehr Spaß.
Die Schafe allerdings haben keinen Spaß mit Menschen, die ihnen zu nahe kommen. Denn Schafe sind nicht nur sehr soziale Tiere, die Gefühle wie Angst oder Wut empfinden können. Sie sind außerdem Fluchttiere. Und das kann dazu führen, dass ein in Panik geratenes Schaf die ganze Gruppe “ansteckt” und sich die fliehenden Tiere gegenseitig verletzen oder im schlimmsten Fall sogar tottrampeln können. Diese Gefahr besteht insbesondere für die noch hilflosen Lämmer.
Daher ist dies eine gute Entfernung für uns Menschen, um eine Schafherde zu beobachten:
Viola, das Mutterschaf
“Ach du liebe meine Güte, Fremdlinge am Stall! Hilfe! Ich muss weg! Wir müssen alle weg! Die wollen uns womöglich fressen!” So oder ähnlich mag nicht nur Viola “gedacht” haben, als sie die fremden Schritte gehört und die unbekannten Geräusche und Gerüche wahrgenommen hat. Das ist sehr vermenschlicht, ich gebe es zu.
Was auch immer in Viola oder den anderen Schafe vorgegangen sein mag: Sie haben versucht zu fliehen.
Das ist aber in einem kleinen Stall schwer möglich, und so wurde Viola vielleicht von den anderen in eine Ecke gedrängt oder kam zu Fall… Was auch immer passiert ist, der Schock und die wahrscheinlich unkontrollierte Bewegung haben dazu geführt, dass sie für die Geburt ihrer Lämmer Hilfe brauchte.

Die Frau im Büro
Das bin ich. Mein Name ist Sabine Scholze, und ich telefoniere mit Ihnen, schreibe Ihnen Mails, sortiere Belege, packe manchmal auch Ihre Päckchen… Das spielt sich normalerweise drinnen ab. Aber manchmal ist alles ganz anders. Vor ein paar Tagen zum Beispiel.
Ich saß also in meinen Bürosachen am Schreibtisch, als das Telefon klingelte. Thea war dran: “Du musst zum Stall kommen. Ich brauche Hilfe bei einer Geburt.” Dann sagte sie mir noch, was ich mitzubringen hätte (heißes Wasser, Seife, eine Kordel oder Ähnliches – wie bei einer “richtigen” Geburt eben) und wo ich entsprechende Bekleidung finden würde.
Also zog ich über meine Bürosachen einen Blaumann, sprang in ein Paar viel zu große Gummistiefel und versuchte, mit diesen Riesendingern an den Füßen mein Auto in Richtung Stall zu bewegen.
Dort fand ich neben den anderen Schafen und bereits putzmunteren Lämmern auch Viola und Thea. Viola hatte eine schwere Geburt, weil eines der wahrscheinlich zwei Lämmer falsch herum lag.
Thea sagte mir, was ich zu tun hätte, und so kniete ich mich ins Stroh, streichelte Violas Kopf mit einer Hand und hielt sie mit der anderen fest. Und während Thea versuchte, das Lamm im Mutterleib so zu fassen zu bekommen, dass sie ihm auf die Welt helfen konnte, dachte ich: “Ach du meine Güte!”
Nach einer ganzen Weile, in der Viola, Thea und ich unser Möglichstes taten, kam das erste Lamm zum Vorschein – leider war es schon tot. Das war natürlich sehr traurig, aber weil noch ein zweites feststeckte, konzentrierten wir uns auf dieses – mit Erfolg! Thea drehte das Lamm im Bauch und zog mit aller Kraft, ich hielt Viola fest, die immer wieder versuchte, aufzustehen, und Viola presste. Und dann erblickte ein kleines, schwarzes Etwas das gerade nicht sehr helle Licht der Welt. Thea rieb es mit Stroh ab, und Viola rappelte sich auf, um ihr Kleines zu abzulecken.
Ich war derweil ergriffen. Wann hat ein Schreibtischmensch schon einmal die Gelegenheit, bei der Geburt eines Lamms zu assistieren?
